
Gerhardsseifen
Im Siegerland (Kreis Siegen-Wittgenstein), der südlichsten Mittelgebirgsregion in Westfalen, rauchten vor über 2000 Jahren die größten Eisenverhüttungsöfen in Mitteleuropa. Diese Hightech-Öfen wurden von keltischen Hüttenleuten betrieben und produzierten große Massen an Stahl. Diese wichtige technikgeschichtliche Phase wurde in einem langjährigen Forschungsprojekt des Deutschen Bergbau-Museums Bochum mit der LWL-Archäologie für Westfalen (Außenstelle Olpe) sowie der Ruhr-Universität Bochum erforscht. Teil des Projekts waren auch zahlreiche archäologische Ausgrabungen.
Die wichtigste Geländeuntersuchung erfolgte am Bach „Gerhardsseifen“ bei Siegen-Niederschelden im Dreiborntal, nahe zur Grenze nach Rheinland-Pfalz, und dauerte mit Unterbrechungen von 2007 bis 2012. Freigelegt wurde ein vollständiges und ungestörtes Verhüttungsensemble aus der Mittel- bis Spätlatènezeit (3. Jhd. v.u.Z. bis Zeitenwende), bestehend aus zwei kuppelförmigen Verhüttungsöfen mit der dazugehörigen Schlackenhalde, einer Röstgrube und den Pfostenlöchern einer Bebauung, sowie einer Schmiedehalde. Somit kann für den Gerhardsseifen ein kompletter Produktionsprozess, beginnend mit der Aufbereitung des Erzes bis hin zum Ausschmieden der Luppe, nachgewiesen werden.
Eine weitere Besonderheit am Gerhardsseifen ist der hier ebenfalls erbrachte Nachweis einer Nachnutzung der Produktionsstätte im Mittelalter (10.–12. Jhd.) über Schlackenabstichöfen nebst zugehöriger Halde. Es konnte eindeutig belegt werden, dass die mittelalterlichen Hüttenleute am Gerhardsseifen die dort zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen latènezeitlichen Schlacken erneut verhütteten, diese also recycelten.
Die herausragende Erhaltung des Bodendenkmals führte in der Region zu dem Wunsch, die Befunde nicht weiter auszugraben und sie damit einer Beschädigung auszusetzen, sondern stattdessen zu erhalten und der Öffentlichkeit langfristig zu präsentieren. Dieses ambitionierte Vorhaben wurde in Kooperation mit der Stadt Siegen und dem Kreis Siegen-Wittgenstein realisiert und durch das Engagement des Trägervereins „Ein Siegerländer Tal e. V.“ vorangetrieben. Die Realisierung des Projekts konnte dank der großzügigen finanziellen Förderung durch die NRW-Stiftung sowie der Sponsoren aus der heimischen Wirtschaft erreicht werden.
Alle in diesem Text verwendeten Informationen sind den Forschungen und Veröffentlichungen von Garner / Zeiler entnommen und können über die in den Literaturtipps enthalten Angaben bezogen bzw. eingesehen werden.
